2020/04/18 10:28
Es soll ein heißes
Ostern werden. Schon am Morgen ist es in der Sonne warm. Gestern Abend war die
Luft geschwängert von Weihrauch, als hätte man das ganze Dorf eingeräuchert.
Ich hörte den Popen über den Kirchenlautsprecher singen, dann war griechische Tanzmusik zu hören. Derweilen war ich hier in meiner kleinen Blase und
versuchte, meinen Tolino wieder mal zum Leben zu erwecken. Es gehörte zwar nicht
zum Szenario meiner Super-GAUs, tut aber trotzdem weh, dass er nicht
reibungslos funktioniert. Auf dem Tisch stapeln sich inzwischen schon Bücher, die ich in Seminarhaus gehamstert habe. Es ist jetzt vielleicht endlich auch mal Zeit, Xenophons Persian Expedition zu lesen. Ich würde nur gerne wissen, wie der Krimi ausgeht (Ben Aaronovitch: A Whisper Under Baker Street),
nachdem ich mich schon mit der Hauptperson in der Londoner Untergrundkloake
gesuhlt habe.
Die letzten Tage
waren etwas zerhackt und unkonzentriert. Aber jetzt habe ich wieder eine
Aufgabe gefunden: ein kleines eingemauertes Rundell zu einem geschützten
Sitzplatz umzuwandeln. Ich sägte Palmwedel ab, die den Zugang versperrten und
stach mich mindestens fünf Mal an den scharfen Stacheln, zweimal davon in den
Kopf. Ich verstehe jetzt auch, dass man auf die Idee kommen konnte, Palmwedel
als Dachbedeckung zu benützen. Die Konsistenz ist hart, sie bleiben in Form und
die „Blätter“ bestehen aus einem zähen Material, das auch beim Trocknen nicht
aus der Form gerät. Leider habe ich im Moment keine Verwendung dafür (oder
vielleicht doch?). Ich fing an, das Unkraut in dem Rundell zu jäten, lasse aber
ein paar Sukkulenten stehen, die sich im Sand verbreiten können. Eigentlich war
dieser Platz dafür gedacht, hier evt ein Campingzelt aufzustellen, ist aber
dazu nie genutzt worden. P informierte mich hinterher darüber, dass der Platz
uns nur zu einem Drittel gehört. Aber niemand kann etwas dagegen haben, wenn
ich manchmal da sitze und eine Tasse Kaffee trinke oder ein Buch lese.
Radelte am
Donnerstag (vorgestern!? gefühlt vor einer Woche) nach Petra. Inzwischen fürchte
ich mich gar nicht mehr vor der Strecke mit den starken Steigungen. Sogar im
Gegenwind auf dem Rückweg schaffte ich es, die Steigung hoch zu radeln, ohne
absteigen zu müssen. Wichtig ist nur, dass die Bremsen wirklich funktionieren,
für die rasanten Bergab-Fahrten. Kaufte im Tiershop neues Spezialfutter für
Caesarion und versuchte, einige Fragen zu klären. Keiner der Tierärzte war da,
aber die Assistentin konnte mir helfen. Radelte in Hochstimmung zurück. Diese
Ausflüge tun mir gut. Danach Einkaufen bei Theodosos, diesmal schon nach sieben
Tagen, wegen der Osterfeiertage. Alles gut, sagte er lachend, immer noch ohne
Mundschutz. Ich unterhielt mich mit einem älteren schwedischen Paar, die
irgendwo hier in der Nähe ein Haus haben und eigentlich ganz planmäßig hier
sind. Interessant, dass ich bei Schweden extrem selten (statistisch: nie) ein
spontanes Gefühl der Nähe empfinde. Bei Griechen kann das im Bruchteil einer
Sekunde entstehen. Ich saß gestern auf einem Mäuerchen, wo ich Wifi-Empfang
hatte, und checkte Mails etc. Ein ziemlich ramponiertes Auto kam vorbei, hielt
an, die Fahrerin fragte nach dem Weg zu Us Wohnhaus. Ich deutete den Abhang
hoch. Ah, ok, danke. Kurze Zeit kam das ramponierte Auto wieder zurück. Ich
signalisierte, dass ich etwas fragen wollte, und sie hielt neben mir an. Ja,
sie sei die Besitzerin vom Restaurant Tropicana. Ja, man könne telefonisch
Essen bestellen. Wir kamen drauf, dass wir auf Instagram verbunden sind. Ah!
Sie erinnerte sich an meine Zeichnungen vom letzten Jahr. Gleich wollte sie die
Hand zum Fenster rausstrecken, besann sich dann eines Besseren. Später mal,
sagte ich, können wir das tun. Es war so ein Fall von sofortiger Sympathie, so
ein Funken, der überspringt, von Augenwinkel zu Augenwinkel. Du bist eigentlich
Griechin, sagte P zu mir am Telefon. Das habe sie sich schon länger gedacht.
Katzenkrankenschwester
außerdem. Muss jetzt Hamish und Caesarions Medizineinnahme timen. Der Erstere
ist wie ein pelziges Baby. Er frisst alles, was man vor ihn hinstellt. Mampf.
Außerdem hat D eine besonders leckere Futterauswahl für ihn vorbeigebracht,
damit er auch wirklich zweimal am Tag kommt. Cleo zischt manchmal beleidigt ab,
wenn Hamish seinen Lachs in pikanter Soße in sich hineinschlabbert, vermischt
mit Antibiotika, weshalb ich jede andere Katze daran hindern muss, an seine Futterschale
zu kommen. Er humpelt noch immer, aber ich rieche täglich an der Tatze und
schaue ihn gründlich an, und nichts scheint infiziert zu sein. Caesarion macht
keinen besonders guten Eindruck, wird immer dünner. Das Spezialfutter schmeckt
ihm nicht. Die Tabletteneinnahme ist außerdem immer ein Riesenkampf. Ich muss
ihn auf meinen Schoß hieven, mit einem harten Griff im Nacken, und die Tablette
in ihn hineinzwingen. Manchmal spuckt er sie hinterher doch wieder aus, und wir
müssen wieder von vorne anfangen. Zermürbend für uns beide. Heute ist der
letzte Tag, aber ich bin nicht sicher, ob es nicht eine Verlängerung geben
wird. Muss Myrsini am Dienstag anrufen.
Auf WhatsApp
schicken wir inzwischen Selfies mit Mundschutz hin und her. Meine Geschwister
ganz modisch elegant (obwohl mein Bruder findet, dass sein Mundschutz eher
einem Wirsingblatt gleichsieht). Ich natürlich mit DIY-Modell. R und S, die
heute heiraten (wollten, aber wegen Corona wurde die Trauung abgesagt), haben sich ihre Mundschutze mit weißen Spitzen verschönert.
Meine Mutter schaut unglücklich über den Rand des Mundschutzes, den meine
Schwester ihr gebracht hat.
Mit meinen
#otherpeopleshomes-Zeichnungen gerate ich regelmäßig in eine Krise. Es ist mir
aber bisher noch immer gelungen, mich irgendwie hindurchzuarbeiten. Jedes Bild
kommt mir zunächst unmöglich vor, aber das Ergebnis gefällt mir dann doch
irgendwie. Das letzte Bild hat sich von allen anderen unterschieden, vor allem,
weil zwei Katzen drauf waren. Eine Herausforderung. Erst machte ich einige
Versuche mit Blindzeichnungen, dann einen konventionellen Versuch, scheiterte
aber an unzähligen Details und zerriss ihn (das kommt nicht oft vor).
Schließlich pantschte ich einfach Farbe auf ein Papier, ließ es trocknen, und
arbeitete dann die Grundzüge des Motivs mit Negativkonturen raus, mit Hilfe von
weißer Gouache, inspiriert von einer Landschaftsmalerin, die Tutorials auf
Instagram macht. Die meisten Details ignorierte ich einfach, aber nicht alle,
zum Beispiel in einem Bild an der Wand die Silhouette eines Manns mit Hut, von
dessen Zigarette eine Rauchwolke aufsteigt (Kinoreklame für „China Town). Oder
eine Krawatte, die an der Jalousie hängt. Ich habe jetzt schon eine
Warteschlange für die nächsten Bilder. Bis Nummer 30 mache ich weiter, dann widme
ich mich wieder dem, was ich hier vor der Nase habe. Ich werde jedenfalls
mutiger und habe immer mehr Selbstvertrauen. Lerne eine Menge, mit jedem Bild,
das ich male.
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