Endlich früher aufgestanden, mich früher an die Arbeit gemacht. Aber nicht zufrieden damit, sondern bedrückt. Warum lande ich beim Schreiben immer wieder in dieser Schwere?
Mittagessen im Freien: Linsen, Couscous mit Gemüse, Salat mit Avocado. Die Sonne scheint.
Ich schaufle die heruntergefallenen Oliven auf. Fege die Treppe.
Mache mich auf den Weg zum Meer. Das Eisentor, das zum Strand führt, ist geschlossen. Ich gehe durch die Hotelanlage vom Hotel Delphinia. Suche mir einen guten Platz zum Zeichnen und setze mich auf meine Jacke. Es wird ein Panoramabild vom Strand und Meer. Drei Regentropfen fallen aufs Papier, dann hört es wieder auf zu regnen.
Hinterher Kaffeetrinken mit U und T im Café Platanaki. Sie haben seit fünfzehn Jahren das Apartement neben unserem. Eigentlich wirken sie bedrückt und wenig enthusiastisch, bewegen sich selten von ihrem kleinen Grundstück weg. Wir reden darüber, wie das Dorf sich in den letzten Jahren verändert hat. Es gibt in der letzten Zeit nur mehr und mehr Verfall, Schließungen. Leute ziehen weg. Ein Gefühl der Lähmung. Ich denke laut, dass eine andere Art von Tourismus nötig wäre. Die Leute da abholen, wo sie sind. Öko-Urlaub. Urlaub in Familien. Griechisch kochen. Besuche bei Schafbauern. Wie macht man Feta-Käse? Ich rede von meinen Ideen "Frühstück in der Natur" und "Kaffee mit Aussicht" (mit deutschen Kuchen). Wir tauen dann doch auf, sitzen lange da, unterhalten uns gut.
Der Besitzer sagt: "Ich mache um 17 Uhr zu. Aber ihr könnt bleiben, so lange ihr wollt. Wenn ihr wollt, bis morgen früh."
"Ja, aber dann musst du das Fenster zumachen, weil es zieht", sagt U.
Es ist lustig, weil wir draußen sitzen und vom Wind durchgeblasen werden.
Kleinigkeiten reichen, damit ich unruhig werde. Ein Zeitungsartikel in der SZ über Hartz-IV-Empfänger in Deutschland, denen die Zuwendungen gekürzt werden, wenn sie sich nicht an die Regeln halten. Was kann man dagegen haben? Ja, schon, aber wie kann man rechtfertigen, dass man Menschen ins Nichts fallen lässt?
Ich esse Reste vom Mittagessen, als ich wieder zu Hause bin. Ganz unerklärlich müde. Schon vor acht Uhr lege ich mich ins Bett und schlafe ein. Wache dann um Mitternacht wieder auf, lese in "Underground Railroad" von Colson Whitehead, das in der Zeit spielt, in der Sklavenhandel in den Südstaaten der USA noch an der Tagesordnung war. Erschütternd und traurig. Ich bin aber auch glücklich über jemanden, der so gut schreiben kann, der die Menschen so zum Leben erwecken kann.
Ich habe lange geglaubt, dass die Geschichtsschreibung immer Gerechtigkeit übt. Ich glaube es immer noch. Aber man muss einen langen Atem haben. Und nicht alle wollen es dann wissen.
"Sometimes there's so much beauty in the world I feel like I can't take it, like my heart's going to cave in." (Ricky Fitt in "American Beauty")
Mittwoch, 6. November 2019
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