Die Fahrt dauert etwa eine halbe Stunde, während der ich einen großen Teil dieses Textes in mein Tablet tippe.
"Sometimes there's so much beauty in the world I feel like I can't take it, like my heart's going to cave in." (Ricky Fitt in "American Beauty")
Dienstag, 13. September 2016
Warten auf den Bus
Die Fahrt dauert etwa eine halbe Stunde, während der ich einen großen Teil dieses Textes in mein Tablet tippe.
Montag, 5. September 2016
Skizzen zu einer Generation
Freiheit, sagte sie, war das Einzige, das für uns eine Rolle spielte. Von nichts wollten wir uns fangen lassen. Von keinem Beruf, keinem Ort, keinem Menschen, keiner Idee. Wir wollten uns nie in eine Schublade stecken lassen, wollten jederzeit aufbrechen können, uns neu definieren, von einem Tag auf den anderen unser Leben ändern, als hätte es das vorherige nicht gegeben.
Wir dachten lange, es sei unsere eigene Entscheidung, wir hielten uns für einzigartig, aber irgendwann ging uns auf, dass wir nur einer von vielen waren. Es war eine Massenverweigerung, oder ein Massenversuch. Wir wollten nie alt werden, nicht einmal erwachsen. Wir glaubten, dass wir ewig jung bleiben könnten. Aber es wurden uns auch keine Angebote zum Erwachsenwerden gemacht. Früh redete man uns ein, dass es zu viele von uns gab, dass es keinen Platz gab für uns, dass wir uns die meisten Berufe abschminken könnten, weil kein Bedarf für uns bestand. Die, die ein paar Jahre jünger waren, verstanden, dass sie besser sein müssten als andere, um Erfolg zu haben, aber wir waren noch erfüllt von einem Gerechtigkeitspathos, dem Unwillen, uns vorzudrängen. In der Schule ließen wir den Nachbarn in der Matheklausur abschreiben, an der Uni machten wir Gruppenreferate, und wir suchten uns immer Themen aus, die so wenig wie möglich mit beruflichen Möglichkeiten zu tun hatten. Wir wollten uns in der dünnen Luft der Freiheit einrichten, behaupteten, nicht viel zum Leben zu brauchen. Wir hatten kaum genug für uns selber, geschweige denn für die Gründung einer Familie. Geheiratet wurde nur heimlich und unter vollkommenem Verzicht auf jegliche Feierlichkeiten. Am liebsten in der Alltagskleidung, kurz nach der Arbeit, oder in der Mittagpause, und die einzigen geladenen Gäste waren die Trauzeugen auf dem Standesamt. Miteinander geschlafen hatte man schon jahrelang, vielleicht sogar ein Kind gezeugt. Man unterschrieb ein Papier, bezahlte fortan weniger Steuern und bildete sich ein, dass man so tun könnte, als hätte sich nichts geändert. Man könnte sich jederzeit wieder trennen. "Bis der Tod euch scheidet" war lachhaft, aber vor allem beängstigend.
Unsere Eltern hatten sich den Wohlstand hart erarbeitet, und wir setzten unseren Stolz daran, keinen Wohlstand zu brauchen. Es war selbstverständlich für uns, dass wir trotzdem alles hatten, was wir brauchten.
Das, worin unsere Eltern ihre Erfüllung gefunden hatten, die Stabilität der Familie, die finanzielle Sicherheit, die Regelmäßigkeit des Tagesablaufs, erschien uns schlimmer als ein Gefängnis, ein lebendiger Tod, ein dumpfes Ausharren in Kompromissen, ein geistiges und gefühlsmäßiges Koma. Wir wollten uns ausschöpfen, so weit wie möglich. Wir wollten unsere Grenzen entdecken, spüren, dass wir lebten. Es fehlte uns ein grundlegendes Vertrauen in uns selber, wir waren misstrauisch gegenüber Deutschland, gegenüber jeder Art von Anständigkeit und Ordnung. Wir widmeten uns dem Körper, der Arbeit an unserem Körper. Wir entdeckten den Körper, die Signale, die er uns sandte, seine Versteifungen und Blockaden. Über den Körper wollten wir uns selber befreien. Ein Wort trat in unser Leben, dem wir sehr viel Aufmerksamkeit schenkten. Wir wollten "spüren", wie es uns ging. Statt einfach darüber hinweg zu gehen, wollten wir dem gegenüber aufmerksam sein, was in uns lebendig war.
Sonntag, 4. September 2016
Wieder mal ein Traum
Es war zwar schön, dass mein Vater noch lebte, dass es ihm so viel besser ging als das letzte Mal, als ich ihn sah, aber der Gedanke, ich müsse seinen Tod jetzt noch einmal erleben, machte mir gleich wieder Angst.
Den Leiterwagen hinter mir herziehend, ging ich nun durch die Gänge des Krankenhauses. Ich begegnete einer jungen Frau, die ich kannte, wir redeten eine Weile, und ich fühlte ständig nach, ob die Kreditkarte noch in meiner Gesäßtasche sei, ob sie mir nicht herausgefallen sei, brachte es aber nicht fertig, sie irgendwo anders hinzustecken.
Der Traum war vielleicht eine Reaktion auf meinen Wunsch, mein Leben von nutzlosem Besitz zu befreien, Dinge loszulassen, wegzugeben. Auch in meinem wirklichen Leben tauchen an unerwarteten Ecken und Enden neue Dinge auf, die ich schon ganz vergessen hatte, und ich weiß nicht, was ich mit ihnen anstellen soll. Gestern sortierte ich die Schubladen unserer Kommode im Gartenhaus aus, ich fand massenweise Stoffservietten, vielleicht zwanzig oder sogar dreißig, davon solche, die wir wir nie benützt hatten, die ich nicht einmal gesehen hatte. Außerdem gehäkelte Deckchen, Vorhänge, die zu keinem unserer Fenster passen, fadenscheinige Handtücher, die schon ganz durchsichtig sind, wenn man sie gegen das Licht hält. Als ich sie in die Papiertüte steckte (die ich zu diesem Zweck reparierte), nahm ich schon die Auseinandersetzung mit P vorweg, ihr Argument, dass man nicht etwas wegwirft, das noch gut ist, ihre Klage, dass ich übertreibe (z.B. mit der Anzahl der Servietten, dem erbarmungswürdigen Zustand der Handtücher).
In unserem Leben spielen die Fahrradanhänger eine große Rolle, mit denen wir ständig Dinge hin-und hertransportieren. Es ist deshalb nicht seltsam, dass ich im Traum einen kleinen Leiterwagen hinter mir herzog.
Was die Kreditkarte meines Vaters bedeuten sollte (und meine Angst, sie zu verlieren), ist mir jedoch nicht klar.
Freitag, 20. Mai 2016
Die Übereinkunft
Frans und ich haben eine Übereinkunft getroffen. Nicht dass wir darüber gesprochen hätten. Es war, was man eine schweigende Übereinkunft nennt. Wir teilen unser Leben, aber wir haben nie miteinander zu tun, nicht physisch jedenfalls. Ich meine nicht das Körperliche, dass wir uns berührten, einander nahe kommen, dass wir uns in der Leidenschaft verlieren, einander hingeben. Diese Art der Begegnung gehört schon lange der Vergangenheit an, was Frans und mich betrifft. Was ich meine: Seit ein paar Jahren haben wir uns nicht gesehen, außer hin und wieder flüchtig und im Vorübergehen. Und trotzdem, so würde ich sagen, teilen wir ein Leben, wir haben zarte Gefühle füreinander, wir vermissen einander, schicken einander kleine Botschaften, sogar Liebesbeteuerungen. Wir sind ganz einfach zu dem Schluss gekommen, dass es uns besser geht, wenn wir uns nicht zu nahe sind, und das war nicht das Ergebnis von langen Diskussionen oder einem Entschluss. Es war so, wurde so, es ergab sich so, wir haben es nie erwähnt, und doch leben wir danach.
Donnerstag, 19. Mai 2016
Stimmungstagebuch, vielleicht
13:06
Meine immer schwarz gekleidete Kollegin S. steht mit einem Kaffeebecher vor meinem Schreibtisch und sagt, dass sie eigentlich gegen allgemeine Geldeinsammlungen für Hochzeiten und Geburten ist. Sie redet eine Weile darum herum, bis sie es auf den Punkt bringt: sie lehnt die "Normativität" an, die in dieser Geste liegt.
14:03
Ein paar Meter von mir entfernt stehen zwei Kollegen im Gespräch. Sie unterhalten sich über Spanien. Eigentlich höre ich nur die Stimme des einen Kollegen, etwas schleppend und einschläfernd, langatmig alle Fakten und Ansichten reproduzierend, die er über Spanien in sich angesammelt hat. Die Kollegin bekräftigt seine Auslegungen mit eingeworfenen "Ahs" und "Hms", sie stellt manchmal eine höfliche Folgefrage, und sein eintöniges Reden fährt fort. "Du bist ja ein wahres Lexikon", höre ich meine Kollegin sagen, und ziehe daraus den Schluss, dass sie dabei ist, das Gespräch zu beenden.
Donnerstag, 12. Mai 2016
Was ich eigentlich möchte
Samstag, 7. Mai 2016
Die Schornsteinfegerin
Freitag, 6. Mai 2016
Die Brust auf den Haaren
Donnerstag, 5. Mai 2016
In dem weißen Hotelzimmer
Ich denke plötzlich an meinen Vater, der eigentlich nichts besaß, außer Kleidung, ein paar Stiften, den Ordner mit den Gedichten. Schon als Kind dachte ich oft, dass er kein Bedürfnis zu haben schien nach materiellen Dingen, dass er nie etwas für sich selber kaufte, sondern immer nur für uns, für die Familie, etwas Gemeinsames, das wir dann teilten.
Vor einigen Wochen schrieb ich: "Don't try to preserve yourself, your past life, your past dreams. Just do what you need to do. Now. Don't let the stuff keep yourself from moving on (inner and outer stuff)."
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Ich nehme an, er ist irgendwas zwischen siebzig und achtzig. Er geht mühsam. Er ist eine Legende in Schweden. In Japan verehrten sie in als Kriegergott. Er versucht uns alles mitzuteilen, was er über Aikido weiß, seine Reflexionen, seine Philosophie, aber die Zeit rennt ihm davon und immer wieder schaut er auf die Uhr und stößt einen Laut des Entsetzens aus. Am Rand der Matte hat er einen Stoß verknitterter Schaubilder abgelegt. Eines davon erläutert er, eine Sammlung von Strichen und Pfeilen, aber was er eigentlich sagen will, wird nicht ganz klar. Eine ganze Stunde lang stehen die zwei Helfer da, einen Stock zwischen sich, an dem eines der Schaubilder mit Wäscheklammern befestigt ist. Er hat ein Schwert in der einen und einen Kollegblock in der anderen Hand. Das Schwert ist eigentlich dazu gedacht, auf das Schaubild zu deuten, aber er benützt es nie. Es hindert ihn während der ganzen Stunde seines Vortrags nur daran, unbehindert im Kollegblock weiter zu blättern. Was ist Aikido? Wir halten einander an den Handgelenken fest. Wie war Ueshiba, der Gründer des Aikido, den er noch in Japan gekannt hat: Wie eine Verkehrsampel, mal grün, mal gelb, mal rot. Er bat einmal einen Japaner, ihm zu übersetzen, was Ueshiba so sagte, aber der Japaner sagte: Ich verstehe es auch nicht. Sitzt ihr manchmal am Küchentisch und bewegt eure Hände so? Natürlich. Und warum? Keiner antwortet. Seine Lösung: weil es sich gut anfühlt!
Blick aus dem Hotelzimmer |
Ingeborg. Paul - Zuggedanken
Mittwoch, 20. April 2016
Bekenntnisse
Manchmal denke ich, ich sollte alles aufschreiben. Mein Leben, ganz einfach. Vielleicht habe ich so gelebt, wie ich gelebt habe, weil ich eines Tages etwas haben wollte, was ich aufschreiben konnte. Aber was? Ein ständiges Umherirren, die ständige Angst, eines Tages durch die Ritzen zu fallen, in der Gosse zu landen, völlig entblößt. Ein ständiger Widerstand, dieses Leben mit einem Druck auf der Brust, mal mehr, mal weniger. Die willentlich und unwillentlich herbeigeführten Dramen, Leidenschaft, die mich völlig verzehrte, zu einem Gespenst werden ließ.
Ich sehe in der Zeitung die Bilder der Flüchtlinge, die in Piräus Halt gemacht haben. Eine sechsköpfige Familie, die seit Wochen dort in einem Zelt campt. Die Frau hat Brustkrebs. Anfangs, so erzählt der Mann, sind wir alle drei Tage in ein Hotel gegangen (um uns zu duschen, Kleider zu waschen), aber jetzt haben wir kein Geld mehr.
An der Küste von Lesbos ist jetzt ein Steinmonument errichtet worden, ein Kreuz zur Erinnerung an die Menschen, die im Meer zwischen der Türkei und Griechenland ertrunken sind.
Das ist ein Verlorensein, eine Unsicherheit, die im Moment Tausende von Menschen teilen, und verglichen damit ist meine Lebensreise eine in Watte gepackte Reise gewesen. Immer wieder gehe ich durch die Stadt und denke, ich müsste die Menschen befragen, ich müsste mit ihnen reden, über ihr Leben, ihre Träume, ihre Enttäuschungen, aber ich bringe es nicht fertig, ich fahre dann doch an ihnen vorbei, ständig beschäftigt mit Kleinigkeiten meines Lebens.
Mein größter Schmerz, das Verlorensein zwischen den Sprachen und Kulturen, auch das teile ich mit so vielen Menschen. Diese Einsamkeit in einem Land, das sich in seiner selbst erdichteten Vortrefflichkeit genug ist. Erfolgsgeschichten sind Geschichten von Menschen, die es geschafft haben, sich anzupassen. Die rumänische Bettlerin, die früher immer vor dem Einkaufszentrum saß, hat jetzt eine Stelle in diesem Einkaufszentrum bekommen, trägt jetzt die Uniform der Angestellten. Die Krankenschwester aus dem Iran beseitigt jetzt gemeinsam mit Langzeitarbeitslosen Gestrüpp in einem Naturschutzgebiet. Über ihrem Kopftuch trägt sie die Kappe der Waldarbeiter. "Ich lerne viel", zitiert man sie. Sie hat auch keine andere Wahl, alles andere würde ihr als Undankbarkeit ausgelegt.
Als ich vor zehn Jahren in dieses Haus zog, dachte ich, die Gegend würde mich inspirieren. Ich unternahm Versuche, über diese Gegend zu schreiben. Dann nahm mein Leben wieder überhand, fuhr über mich wie eine Woge, die Angst, der Schmerz, meine inneren Dämonen.
"Ich bin verrückt", es hilft mir manchmal, so zu denken. Mein Leben zu akzeptieren als das Leben von einer, die verrückt ist und nicht anders konnte.
Donnerstag, 25. Februar 2016
Big Mind
Mittwoch, 24. Februar 2016
Im Tagebuch gefunden
Dienstag, 23. Februar 2016
Splitter aus dem Herzbuckelland
"Auf ein Bier" gehen - diese Art der zerstreuten, tratschenden Unterhaltung sagt mir nicht mehr zu, und das Bier tut mir auch nicht gut, ebensowenig die Nüsse, die ich manisch aus der kleinen Schale auf dem Tisch fische. "Einfach nur schreiben" fällt mir wieder schwer. Käse und Butter stehen noch neben dem Spülbecken - ich lasse sie da stehen, räume sie nicht weg. Das Fenster darf offen bleiben, es zieht kalt von dort her. Meine Schulter - die Gegend um das Schulterblatt: der Flügel, der nie gewachsen ist - quält mich, und ich lasse mich den ganzen Tag quälen, anstatt mich nur 5 Minuten auf den Rücken zu legen.
Der Wecker, der mich sanft wecken sollte, lässt mich aufschrecken, als ich die Helligkeit durch die Augenlider wahrnehme - habe ich in den Tag hineingeschlafen?
Wo willst du sein? Woanders, immer woanders. Nicht hier, in mir.
Donnerstag, 18. Februar 2016
Die Frau mit dem dunkelblauen Rollkragenpullover
Montag, 8. Februar 2016
Was vorkommen soll
Mit Zeitungspapier verklebte Fenster.
Ein Schwarm von Fledermäusen, der in der Nacht durch das offene Fenster ins Zimmer fliegt.
Jemand, der in der Nacht ins Bett pinkelt.
Etwas das "süß" ist (putzig, liebenswert).
Ein tibetisches Kloster, das Thema des mehrjährigen Rückzugs.
Jemand, der eine blaue Windjacke trägt.
Die Sendung "Big Brother" und der Film "Aliens".
Ein Faltblatt in einer Kirche, auf dem das Leben einer Heiligen gerühmt wird.
Ein Imker (und Insekten im Allgemeinen).
Ein Spiegel, in dem man sein wahres Gesicht sehen kann.
Eine mit Fröschen übersäte Landstraße.
Eine große, mit Parfüm gefüllte Wasserpistole.
Eine neonfarbene Kirche aus Sperrholz, die in einem großen Raum im Kreis herumfährt.
Freundlichkeit.
Samstag, 6. Februar 2016
Freitag, 5. Februar 2016
Aus den Augenwinkeln beobachtet
Montag, 1. Februar 2016
Ein weiteres Ritual (ohne Vorwarnung)
Ein weiteres wichtiges Ritual ist mein Morgenkaffee.
Ich mahle die Bohnen mit einer alten Handmühle, löffle den Kaffee aus dem Auffangschub in eine meiner Espressokannen, die ich schon mit Wasser gefüllt habe und dann zuschraube und auf den Herd stelle. Jeder Handgriff ist wichtig. Das zischende und gurgelnde Geräusch, wenn der Kaffee langsam durch das Rohr in die Kanne fließt, der Geruch, der sich in der Wohnung verbreitet (während ich andere Morgenhandgriffe mache), dieser wohlige, glückverheißende Morgengeruch. Dann wärme ich die Milch auf der abgeschalteten Herdplatte in einem stählernen Aufschäumer (bloß nicht wärmer als ca. 60 Grad Celsius!). Der Kaffeebecher, ein weißer hoher Becher ohne Henkel, ist schon ein wenig angeschlagen. Manchmal streue ich Kakao auf den fertigen Kaffee, manchmal Zimt, manchmal Kardamum aus meiner Kardamummühle.
Die Katze sitzt inzwischen schon auf dem Küchentisch und wartet auf ihre tägliche mikroskopische Milchportion (piepst dabei wie ein Vogel, ihr Milchbettel-Laut).
Der erste Schluck Kaffee, das Tasten der Zunge, die Abschätzung durch die Geschmacksknospen - wie ist er heute gelungen? -, die Kaffeewärme, die sich über die Speiseröhre und den Magen im ganzen Körper verbreitet, der kleine Anschubser, das Jubeln in irgendwelchen Regionen. Dieses Kaffeeglück.
Dienstag, 26. Januar 2016
["Breaking Bad" - nur mal so dahingedacht]
Meine Frage:
Woher kommt die Faszination, die von der Geschichte "Durchschnittsmann wird Drogenboss" ausgeht? Woher kommt die "Liebe" der männlichen Zuschauer zu dem teuflischen Walter White?
Dass die Figur des Walter White mit seinem Verhalten (als Ehemann, als Freund, als Krebskranker, als Berufstätiger, als Vater, als Heimwerker) dem weißen Durchschnittsmann einen Spiegel vor Augen hält, ist schwer zu übersehen. - Der weiße Durchschnittsmann als Zuschauer jedoch wird von dem, was er da sieht, nicht notwendig von Abscheu (und dem Wunsch nach Veränderung) ergriffen, sondern beginnt auf eine verdrehte Weise mit der Figur des abgedrifteten Chemielehrers zu sympathisieren. Die Serie entlarvt das grundsätzlich Gefühlsgestörte im weißen Durchschnittsmann, aber dieser ist aufgrund seiner Gefühlsgestörtheit nicht in der Lage, darüber zu erschrecken.
In dem System, das der weiße Durchschnittsmann geschaffen hat, gibt es immer Gewinner und Verlierer, und sein Kampf zielt in der Regel nicht darauf ab, das System wirklich zu verändern oder sich aus ihm zu verabschieden, sondern darauf, vom Verlierer zum Sieger des Systems zu werden - dazu wendet also immer die Mittel an, die dieses System für ihn bereithält.
In gewisser Weise zielt also diese Serie - trotz treffender Beobachtung - auch nicht wirklich auf Veränderung ab, sondern eher auf eine Art pervertierte Selbstbestätigung. Man kann als Zuschauer eine moralische Gänsehaut kriegen, ist aber erregt von der auf dem Bildschirm vorgelebten Möglichkeit, jeglicher Moral und Selbstbeschränkung den Rücken zu kehren.
Fazit: Der weiße Durchschnittsmann bleibt atemlos vor dem Fernseher hängen (so wie ich - und der weiße Durchschnittsmann in mir - auch, by the way) und lässt alles beim Alten.
Zweifel? Man kann im Internet einen "Heisenberg"-Hut und eine "Heisenberg"-Sonnenbrille bestellen.
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Sonntag, 24. Januar 2016
Als wir noch rauchten
Als wir noch spät aufstanden, endlos frühstückten, unsere Zigarettenstummel in leer gelöffelten Eierschalen ausdrückten. Das Ritual: den Tabak auf dem Zigarettenpapier verteilen, den Klebestreifen ablecken, die Zigarette geschickt zusammendrehen, die Tabakkrümel von der Zungenspitze und den Lippen spucken.
Als es uns noch jede Nacht hinaustrieb, in die verrauchten Kneipen, in denen es keinen Sitzplatz mehr gab. Als wir mit schmerzenden Lungen aufwachten, mit einem Haufen nach Rauch stinkender Kleider auf dem Fußboden, gequält vom Tageslicht, vom Morgenhusten. (Ein kurzer Augenblick des Zweifels, des Selbstekels, der Reue, bevor man sich wieder eine Zigarette ansteckte)
Das Rauchen war eine symbolische Handlung, es signalisierte die Abwehrhaltung gebenüber allem, was die Welt für uns bereithielt. Wir rauchten gegen die Betonisierung, gegen jeden Leistungsanspruch, jegliche Tauglichkeit. Wir rauchten gegen Tatsache, dass wir sterblich waren, dass wir altern würden, dass wir nicht ewig bis in den späten Vormittag hinein schlafen könnten, dass wir irgendwann einmal uns der "Wirklichkeit" würden stellen müssen.
Wir rauchten so, wie wir es in französischen Filmen gesehen hatten. Lebensverachtend und lebenshungrig zugleich. Selbstverliebt und ständig uns selber analysierend.
Die Wohnungen waren improvisiert, vorläufig, wir legten Matratzen auf den nackten Boden, stapelten unsere Bücher in Obstkisten, machten einen Küchentisch aus Böcken und einer ausrangierten Tür, schleppten Schränke die Treppe hoch, die wir auf dem Sperrmüll gefunden hatten, oder bauten unsere Möbel selbst (auch das nicht aus einer Heimwerker-Mentalität heraus, sondern als Zeichen der Verweigerung).
Wir saßen in Kneipen, die Tabakbeutel auf dem dunkelbraun lackierten Tisch, wir aßen kurz vor Mitternacht Berge von Spaghetti und dachten, wir könnten verhindern, dass wir irgendwann einmal zu der Welt gehören würden, die wir verachteten, die wir fürchteten, die uns bedrohte, die uns das wegnehmen wollte, was uns am Leben hielt: der trotzige Widerstand, der Tabakdunst, die Gedichte und die Musik und die Illusion, dieser Zustand könne ewig dauern. Bloß wie? Indem wir rauchten.
Montag, 11. Januar 2016
VOM GEFÜHL DES AUSGESPUCKTSEINS
Lesbos 13/12 2021
Am Morgen wachte ich zum Plätschern des Regens auf. Machte mir Kaffee, schmierte mir Brote, packte eine Portion gesalzene Oliven in den Ruck...
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Ich widmete mich heute meinem neuen Projekt, der Ablichtung der Stadt mithilfe der miserablen Kamera in meinem Handy. Das Wetter war auch sc...
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Am Vormittag fuhr ich mit dem Fahrrad nach Petra, um etwas Spezialfutter für Tiny zu kaufen. Ihr Durchfall war leider wieder schlimmer gewor...
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1 I want to tell a story, but nothing happens. 2 I wrote a story, but it became all wrong. 3 Don't you ever get tired of your own ...