Yang-Tse-Kiang |
Ich weiß, dass du nicht weinst, Märi, und ich weiß auch, dass du nicht weinen darfst. Du musst das Leben ohne mich jetzt schöner finden, leichter, einfacher, du musst dich selber jetzt lieber mögen als vorher, du musst größere Freude haben an deinen Unternehmungen und Planungen, in denen ich jetzt nicht mehr vorkomme, in die du jetzt andere Menschen hineinnimmst, in deren Gegenwart du dich froher fühlst, unkomplizierter, mehr du selbst. Du musst jetzt die Erleichterung spüren darüber, dass ich dich nicht mehr anrufe, dass ich nicht mehr am Morgen vor deiner Tür stehe, weil wir ausgemacht haben, zusammen zu frühstücken, dass ich nicht mehr mit meinen Wanderstiefeln und einem Rucksack voller Picknick angetanzt komme, dass ich dich nicht mehr so anschaue, wie du nicht angeschaut werden willst, plötzlich nicht mehr angeschaut werden wolltest, dass ich nicht mehr deine Hände auf dem Tisch in meine nehme, dass ich nicht mehr deinen Oberarm berühre oder eine Decke über unsere Knie lege, wenn wir vor dem Fernseher sitzen und einen Film anschauen, den wir beide sehen wollen. Du musst jetzt die Luft zum Atmen lieben, die ich in deinem Leben hinterlassen habe, die Abwesenheit von Zweifeln und Scham, und vom ständigen Zwang zum Nachspüren in deinem Innern. Du wirst dir im Spiegel wieder selber zulächeln können, wirst das Gefühl des Unbehagens, das der Gedanke an mich jetzt in dir hervorruft, über die ganze Zeit ausbreiten, so dass nichts mehr übrigbleibt, was nicht davon getränkt ist. Du wirst dich fragen, wie es möglich sein konnte, wirst an die ersten Wochen denken wie an einen undeutlichen Traum, der nichts mit dir zu tun hat. Du wirst dir selber sagen, dass du dich weiterentwickelt hast, dass du damals kindisch warst, unreif, dich hast mitreißen lassen, in einem komischen Rausch, der dir jetzt peinlich vorkommt und von dem du niemals jemandem erzählen wirst.