Dienstag, 26. Januar 2016

["Breaking Bad" - nur mal so dahingedacht]

In den letzten Tagen habe ich mir täglich eine Folge der Serie "Breaking Bad" auf meiner kleinen Platte angesehen, und hinterher habe ich, aufgewühlt und beunruhigt, Zuschauerkommentare zur Serie im Internet nachgelesen. -
Meine Frage:
Woher kommt die Faszination, die von der Geschichte "Durchschnittsmann wird Drogenboss" ausgeht? Woher kommt die "Liebe" der männlichen Zuschauer zu dem teuflischen Walter White?
Dass die Figur des Walter White mit seinem Verhalten (als Ehemann, als Freund, als Krebskranker, als Berufstätiger, als Vater, als Heimwerker) dem weißen Durchschnittsmann einen Spiegel vor Augen hält, ist schwer zu übersehen. - Der weiße Durchschnittsmann als Zuschauer jedoch wird von dem, was er da sieht, nicht notwendig von Abscheu (und dem Wunsch nach Veränderung) ergriffen, sondern beginnt auf eine verdrehte Weise mit der Figur des abgedrifteten Chemielehrers zu sympathisieren. Die Serie entlarvt das grundsätzlich Gefühlsgestörte im weißen Durchschnittsmann, aber dieser ist aufgrund seiner Gefühlsgestörtheit nicht in der Lage, darüber zu erschrecken.
In dem System, das der weiße Durchschnittsmann geschaffen hat, gibt es immer Gewinner und Verlierer, und sein Kampf zielt in der Regel nicht darauf ab, das System wirklich zu verändern oder sich aus ihm zu verabschieden, sondern darauf, vom Verlierer zum Sieger des Systems zu werden - dazu wendet also immer die Mittel an, die dieses System für ihn bereithält.
In gewisser Weise zielt also diese Serie - trotz treffender Beobachtung - auch nicht wirklich auf Veränderung ab, sondern eher auf eine Art pervertierte Selbstbestätigung. Man kann als Zuschauer eine moralische Gänsehaut kriegen, ist aber erregt von der auf dem Bildschirm vorgelebten Möglichkeit, jeglicher Moral und Selbstbeschränkung den Rücken zu kehren.
Fazit: Der weiße Durchschnittsmann bleibt atemlos vor dem Fernseher hängen (so wie ich - und der weiße Durchschnittsmann in mir - auch, by the way) und lässt alles beim Alten.
Zweifel? Man kann im Internet einen "Heisenberg"-Hut und eine "Heisenberg"-Sonnenbrille bestellen.

 ***

"We are happy." (Walter White)

***

PS: Ich bin mir bewusst, dass der Begriff "weißer Durchschnittsmann" eine unzulässige Verallgemeinerung darstellt, aber ich musste meinen Gedanken irgendwie in - wenn auch hölzerne - Worte kleiden. 

Sonntag, 24. Januar 2016

Als wir noch rauchten

Als wir noch rauchten, selbst gedreht natürlich, nicht, weil es billiger gewesen wäre, sondern weil es unser Einstellung zum Leben entsprach: der Tabakbeutel auf dem Tisch, das Zigarettenpapier, bloß keine Filter. Der ungefilterte, scharfe Rauch - unser Credo, unsere tägliche Widerstandshandlung.

Als wir noch spät aufstanden, endlos frühstückten, unsere Zigarettenstummel in leer gelöffelten Eierschalen ausdrückten. Das Ritual: den Tabak auf dem Zigarettenpapier verteilen, den Klebestreifen ablecken, die Zigarette geschickt zusammendrehen, die Tabakkrümel von der Zungenspitze und den Lippen spucken.

Als es uns noch jede Nacht hinaustrieb, in die verrauchten Kneipen, in denen es keinen Sitzplatz mehr gab. Als wir mit schmerzenden Lungen aufwachten, mit einem Haufen nach Rauch stinkender Kleider auf dem Fußboden, gequält vom Tageslicht, vom Morgenhusten. (Ein kurzer Augenblick des Zweifels, des Selbstekels, der Reue, bevor man sich wieder eine Zigarette ansteckte)

Das Rauchen war eine symbolische Handlung, es signalisierte die Abwehrhaltung gebenüber allem, was die Welt für uns bereithielt. Wir rauchten gegen die Betonisierung, gegen jeden Leistungsanspruch, jegliche Tauglichkeit. Wir rauchten gegen Tatsache, dass wir sterblich waren, dass wir altern würden, dass wir nicht ewig bis in den späten Vormittag hinein schlafen könnten, dass wir irgendwann einmal uns der "Wirklichkeit" würden stellen müssen.

Wir rauchten so, wie wir es in französischen Filmen gesehen hatten. Lebensverachtend und lebenshungrig zugleich. Selbstverliebt und ständig uns selber analysierend.

Die Wohnungen waren improvisiert, vorläufig, wir legten Matratzen auf den nackten Boden, stapelten unsere Bücher in Obstkisten, machten einen Küchentisch aus Böcken und einer ausrangierten Tür, schleppten Schränke die Treppe hoch, die wir auf dem Sperrmüll gefunden hatten, oder bauten unsere Möbel selbst (auch das nicht aus einer Heimwerker-Mentalität heraus, sondern als Zeichen der Verweigerung).

Wir saßen in Kneipen, die Tabakbeutel auf dem dunkelbraun lackierten Tisch, wir aßen kurz vor Mitternacht Berge von Spaghetti und dachten, wir könnten verhindern, dass wir irgendwann einmal zu der Welt gehören würden, die wir verachteten, die wir fürchteten, die uns bedrohte, die uns das wegnehmen wollte, was uns am Leben hielt: der trotzige Widerstand, der Tabakdunst, die Gedichte und die Musik und die Illusion, dieser Zustand könne ewig dauern. Bloß wie? Indem wir rauchten.

Montag, 11. Januar 2016

VOM GEFÜHL DES AUSGESPUCKTSEINS

Lief durch den Regen, wurde nass, usw., aber ich war froh, dass ich es endlich geschafft hatte, außer Haus zu gehen, da mich irgendetwas dort festhielt, nicht losgehen ließ, vielleicht diese fruchtlose Suche nach dem Schal, die Entdeckung eines Lochs in dem T-Shirt, das ich mitgenommen habe, eine Botanisierungstour durch die Schränke meiner Gastgeber, wobei mir beim Anprobieren eines Pullovers das eine Glas aus der Brille gesprungen ist - es ist mir aber zum Glück gelungen, es wieder hineinzupressen, nichts war kaputt (sonst hätte ich mich wirklich AUSGESPUCKT gefühlt - mit meiner Vergesslichkeit, der löchrigen Kleidung, allen Anzeichen von Alter, Ziel- und Mutlosigkeit etc.)

Lesbos 13/12 2021

Am Morgen wachte ich zum Plätschern des Regens auf. Machte mir Kaffee, schmierte mir Brote, packte eine Portion gesalzene Oliven in den Ruck...