Montag, 8. April 2013

Die Sache mit dem Tod

Die Sache mit dem Tod erschien mir heute plötzlich so verdammt selbstverständlich, so natürlich, ich meine, anders als sonst, wo ich die Selbstverständlichkeit zwar herbeidenken, aber nicht fühlen kann.


Das ganze Leben über sammelt man Tote.


Und außerdem sammelt man Menschen, die zwar nicht tot sind, aber trotzdem aus unserem Leben verschwunden.

Es gibt keine Möglichkeit mehr, mit ihnen zu sprechen, ihnen auch nur etwas Belangloses mitzuteilen, sie anzuschauen, ihnen in die Augen zu sehen.

Wenn einer dieser Menschen einem dann (nach vielen Jahren vielleicht) irgendwann einmal zufällig über den Weg läuft, dann ist die Begegnung oft schmerzhafter als die Abwesenheit. Der Mensch, den es einmal gegeben hat, gibt es nicht mehr, selbst die Erinnerungen werden plötzlich fragwürdig.

Samstag, 6. April 2013

Dauergäste

Ich sprach von den verschiedenen Personen in mir.

Es gibt z.B. eine Person, die offen ist und entspannt und neugierig und schön, die gut riecht, die ihrem Leben einen Sinn verleiht. Es gibt andere Personen in mir, die diese Person nicht respektieren. Aber auch sie wollen nur mein Bestes. Sie wollen mich in die richtige Richtung schubsen, mich fordern, mir etwas abfordern. Sie glauben, dass etwas in mir steckt, sie geben mir einen Tritt in den Hintern.

Es gibt eine Person in mir, die danach dürstet, geliebt zu werden, grenzenlos, vorbehaltlos. So unendlich groß ist ihr Liebesdurst. Er ist völlig unstillbar. Wenn diese Person etwas bekommt, dann will sie gleich mehr davon. Diese Person scannt ihre Umgebung nach Zeichen für Zuneigung ab. Sie sehnt sich nach Zuneigung, fürchtet aber auch Zeichen von Zuneigung, weil diese Zuneigung nicht ausreichen wird oder weil die Zuneigung gefährdet ist, weil sie ihr wieder entzogen werden könnte. Diese Person glaubt hin und wieder (oder ist das eine weitere, eine andere Person?), dass sie sich Zuneigung verdienen muss. Dass sie nicht ausreicht, dass sie nicht verdient hat, dass man sie mag.

Es gibt eine weitere Person. Sie ist am liebsten allein. Sie ist vielleicht identisch mit der liebessüchtigen Person. Denn das Alleinsein schenkt Sicherheit. Wenn man allein ist, ist man nicht gefährdet, zurückgewiesen zu werden. Einsamkeit ist ein Ort der Träume, ein Ort der Möglichkeiten. Diese Person fürchtet das Materialisieren von Gedanken und Gefühlen in Worten. Sie beharrt auf der Unübersetzbarkeit von Gedanken und Gefühlen in Worte. Sie fürchtet sich davor, ihre Ideen in einem Zusammenhang auf ihre Haltbarkeit hin überprüfen.

Es gibt noch weitere, vielleicht unzählige. Ich sagte, ich verspreche, dass ich in der nächsten Zeit ein wenig aufmerksamer sein werde. Ich werde den Lautesten, den Aufdringlichsten ein wenig besser zuhören, damit ich weiß, was ihr Wunsch ist, auf welche Weise sie versuchen, mir zu helfen.

Lesbos 13/12 2021

Am Morgen wachte ich zum Plätschern des Regens auf. Machte mir Kaffee, schmierte mir Brote, packte eine Portion gesalzene Oliven in den Ruck...