Samstag, 16. Juni 2012

Tageswörter

Was hat dir an ihr gefallen, fragte mich Maria, meine Therapeutin. Es war vielleicht dieses Unbestechliche an ihr. Diese Weigerung, irgendjemandem zu Gefallen zu sein. Sich nicht zu jemandem machen, der man nicht ist. Sie sprach nicht wie jemand, dessen Meinung schon fest ist, unverrückbar, sondern tastend und wie überrascht von jedem Wort, das aus ihrem Mund kam. Sie war neugierig und liebenswürdig, sie hatte eine Sanftheit den Katzen gegenüber und allem gegenüber, was sie berührte.

so eine katze

Freitag, 15. Juni 2012

Begegnungen

Während ich den Geräteschuppen aufräume, höre ich Homers Odysee. Erinnere mich jetzt daran, wie ich die Odyssee las, in Köln, in der grünen Wohnung unter dem Dach. Denke an die Frau, die unter mir wohnte und die mich eines Tages unvermittelt gegen die Wand des Treppenhauses drückte und zu küssen versuchte. Oft begegnete ich ihr mit einer Plastiktüte voller klirrender Flaschen. Diese Frau muss unbedingt in meinem Buch vorkommen. All diese Menschen, die mich ohne Vorsicht in ihr Leben hineinzogen. Und ich ließ mich ziehen, gerne. Immer dankbar für diese Begegnungen. Die irgendwelche Grenzen überschritten. Es gab im Lauf der Jahre viele solcher Begegnungen. Sie waren schnell vorbei. Sie sind vorbei, wenn man anfängt zu sprechen, sich zu unterhalten, sich in ein zivilisiertes Land der Worte hinein zu begeben.

Donnerstag, 14. Juni 2012

Vom Festsitzen

Eigentlich denke ich, dass das Gefühl des "Festsitzens" zum Menschsein gehört. Zwar glaubt man, dass es irgendwo die Freiheit gibt und dass es Menschen gibt, die diese verwirklicht haben, aber letztlich sitzt man immer irgendwo fest und sei es nur in der Gewohnheit, sich nie auf irgendetwas festzulegen, in einem zwanghaften Nomadentum. Die wirkliche Freiheit ist wirklich irgendwo im Innern, in diesem "wesentlichen" Teil unseres Selbst. Da, wo wir uns nicht von Neurosen fangen lassen. Da wo wir "frei" sind, uns festzulegen. Da, wo wir das "Festsitzen" irgendwie hinter uns gelassen haben, so dass es uns nicht mehr festhält, nicht mehr wirklich. Aber vielleicht ist das auch nur ein Wunschgedanke, für mich jedenfalls.

Sonntag, 10. Juni 2012

This is, in fact, her life

"(...) (S)he sees how easily she could slip out of this life - these empty and arbitrary comforts. She could simply leave it and return to her other home, where neither Sally nor Richard exists; where there is only the essence of Clarissa, a girl grown into a woman, still full of hope, still capable of anything. It is revealed to her that all her sorrow and loneliness, the whole creaking scaffold of it, stems simply from pretending to live in this apartment among these objects, with kind, nervous Sally. and that if she leaves she'll be happy, or better than happy. She'll be herself. She feels briefly, wonderfully alone, with everything ahead of her. 
Then the feeling moves on. (...) This is, in fact, her apartment, her collection of clay pots, her mate, her life. She wants no other."


Michael Cunningham: The Hours


Freitag, 8. Juni 2012

Tagesfreude

Wie sehr kann man sich über Strohblumen freuen, die plötzlich aus der Erde spitzen? Sehr!
Vor etlichen Tagen habe ich sie in zwei Terracottatöpfe gesät und täglich mit meiner Aufmerksamkeit (und mit Wasser) bedacht. Und in beiden Töpfen sind heute kleine gelbgrüne Keimlinge zu sehen, die gerade mit all ihrer Kraft die Erdkrumen beiseite schieben, um ans Licht zu kommen.

Sonntag, 3. Juni 2012

Sometimes

Sometimes you hear a voice through
the door calling you, as fish out of
water hear the waves, or a hunting
falcon hears the drum's come back.

"This turning toward what you deeply
love saves you......."

~Rumi



Unvermittelte Erinnerung

Er hatte mich in der Mensa der Universität gesehen, mit meinem riesigen grünen Pullover, häufig ein Buch in der Schlange zur Essensausgabe lesend, hin und wieder mit der Französin, für die er irgendeine abfällige Bezeichnung benützte, als er sie erwähnte ("buio" nannte er sie, fällt mir nachträglich ein). Ich sah also viele Wochen später ihn in Begleitung einer Frau, die ihn untergehakt hatte, und wir waren beide etwas befangen, ich, weil ich in jener Nacht, an jenem frühen Morgen, die Wohnung einfach ohne Kommentar verlassen und ihn von da an gemieden hatte, er, weil er meine Zurückweisung verschmerzt und jemanden gefunden hatte, der zu Gegenseitigkeit in der Lage war, zu etwas Lebbarem, Lebendigem.


Samstag, 2. Juni 2012

Total Abandonment

The mind that holds something in reserve, the mind that has a vested interest, the mind that clings to position, power, prestige, the mind that is respectable, which is a horror - such a mind can never abandon itself.


Krishnamurti

Freitag, 1. Juni 2012

träumte

Meine Schwester und ich wohnten zusammen in einer Wohnung, und wir richteten unsere Zimmer ein. Ich entdeckte, dass mein Badezimmer in einem ziemlich katastrophalen Zustand war. Verstand nicht, dass ich das nicht früher gesehen hatte. Dunkle Flecken hinter einer zweifelhaften Konstruktion an der Wand. Ich sah ein, dass ich alles herunterreißen und das Bad neu renovieren musste. Als ich in das Zimmer meiner Schwester ging, fühlte ich mich sofort unterlegen, weil es so schön eingerichtet war. Geschmackvoll, mit hellen Möbeln und einer angenehmen Energie. Ich machte eine unbedachte Bewegung und verkratzte dabei eine Schubladenfront, entschuldigte mich und sagte, ich würde sie ihr natürlich so schnell wie möglich ersetzen.


Lesbos 13/12 2021

Am Morgen wachte ich zum Plätschern des Regens auf. Machte mir Kaffee, schmierte mir Brote, packte eine Portion gesalzene Oliven in den Ruck...