Mittwoch, 29. Februar 2012

Wenn du nur nicht so vorhersehbar wärst

"Sie könnte nicht sagen, ob sie Männer oder Frauen liebt, im Moment oder lange schon gilt in dieser Hinsicht ein weder-noch, das sie nicht aufzulösen gedenkt. Letztlich siegt in ihr immer noch die Angst, sie könnte, wenn sie sich auf eine Sache festlegte, eine andere Sachen versäumen, sie würde ihre Freiheit verlieren, die, wenn man es schonungslos ausdrücken will, vor allem die Freiheit ist, so wenig wie möglich mit der Wirklichkeit zu tun zu haben." (1998)

Dienstag, 21. Februar 2012

Die Frau mit dem blonden Pferdeschwanz

"Am Tisch gegenüber saß eine junge Frau mit blondem Pferdeschwanz und einem ironischen Lächeln. Sie trug einen langen und weiten Pullover über der Jeans und sprach und lachte mit den beiden Männern, die bei ihr saßen, warf ab und zu einen Blick zu mir herüber. Ich saß da und rührte im Glühwein. Eine Geschichte wurde nicht daraus. Der Zucker war in das Glas hinabgesunken, auch der Löffel konnte ihn nicht erreichen in dem engen Fuß, doch der Rest des Weines war dick und körnig und machte den Mund klebrig. Nach dem zweiten Glühwein war mein Augenspiel schon so weit gediehen, dass ich gehen musste, in mein Vierbettzimmer mit dem knarrenden Holzboden. Nur ein dünnes Rinnsal kam aus dem verkalkten Wasserhahn, und in der Nacht quälte ich mich durch eine Schlaflosigkeit, machte das Licht an, trank einen Tee aus Zitronenmelisse." (1996)

Der Junge mit dem Glasauge

"Auf dem Schlosshof begegnete mir noch einmal der sanfte blonde Junge mit dem Glasauge, der mir im Bus gegenüber gesessen und in einer Zeitung gelesen hatte, die er sehr dicht vor sein Gesicht hielt. Ab und zu fuhr seine Hand zu dem Glasauge, als wollte er sich vergewissern, dass es noch da war und nicht herausgefallen, und immer wieder zog er mit einem schnellen Griff das Augenlid etwas weiter über das Auge, das dann eine Weile halb verdeckt war, bis es sich wieder öffnete, worauf er die Bewegung ohne jede Unruhe wiederholte. Im Schlosshof trug er einen langen schwarzen Mantel und führte einen Hund an der Leine, und die Schöße seines Mantels wehten hinter ihm."

(1996)

The way we treat ourselves is also the way we treat others

Also brüllte ich heute wie eine Löwin, wenn auch nur auf dem Papier. Mein Nachbar beginnt, ein Loch in meinen Schädel zu bohren.

Donnerstag, 9. Februar 2012

Das Licht

"Du bist am Morgen gegangen und hast gesagt, gut, dass ich dich schon so bald wiedersehe. Wir haben im Treppenhaus gestanden, in das das Licht immer so schön herein fällt, und du hast gesagt, dass das Licht hier immer schön ist, aber noch schöner, wenn wir da stehen." (1996)

Mittwoch, 8. Februar 2012

Zwei Zustände

"Um wieviel besser wäre es, wenn man leben könnte ohne den ständigen Wunsch des Zusammenkommens und anschließend des wieder voneinander Loskommens, so dachte ich, und dass ich mein Leben immer entweder im einen oder im anderen Zustand verbracht hatte, und dass kein Grund bestand anzunehmen, dass sich das jemals ändern würde." (1998)

Dienstag, 7. Februar 2012

Irgendwie

Beim Durchblättern alter Papiere die Einsicht: Irgendwie habe ich doch alles schon irgendwann mal gedacht, getan, gesagt, geschrieben. Wieso soll ich es denn nochmal denken, tun, sagen, schreiben? Woher dieser Zwang zur Wiederholung des Altbekannten, warum diese Angst vor dem wirklich Neuen, vor der offenen, atemberaubenden Landschaft?

Freitag, 3. Februar 2012

Tigers to butter

“How much do you love me?” Midori asked.
“Enough to melt all the tigers in the world to butter,” I said.



(Haruki Murakami: Norwegian Wood)


Lesbos 13/12 2021

Am Morgen wachte ich zum Plätschern des Regens auf. Machte mir Kaffee, schmierte mir Brote, packte eine Portion gesalzene Oliven in den Ruck...