Dienstag, 30. Oktober 2007

Geld und Lappen

Mein Bruder beteiligt sich auch am Bairischen Wörterbuch:

"Diridari für Geld und Hadern für Lappen werden hiermit nachgereicht."

So ein herbstgoldener Tag!

Und wieder bringt mir die Post vier Bücher, und ich lege sie zu den anderen in den Stapel.

Mein Plan: Eine filigrane Pappstadt.

Sonntag, 28. Oktober 2007

Bairische Wörter mit "g", Fortsetzung

Gfries (abfällig: Gesicht, auch Fotzen, Lätschen)

Gsangl (a) Liedlein, kurzer Gesang, b) lästiges unschönes Gesinge: Aufhören mit dem Gsangl, ich kann's nimmer hörn!)

Freitag, 26. Oktober 2007

Traum

Ich sitze in einer Kirche, in der junge Konfirmanden (?) eine Messe vorbereiten (?), in welcher viel Blut vorkommt (?, jedenfalls aber die Farbe Rot - ein roter Schal?).
Währenddessen unterhalte ich mich mit einem Pianisten (?, er sitzt an einem schwarzen Flügel) darüber, dass ich Gesangsunterricht nehmen will (?).

Donnerstag, 25. Oktober 2007

Back again

"Bin i da Garneamand?" (Lena Christ: Erinnerungen einer Überflüssigen)

Viel zu lange war ich weg von dieser Seite. Irgendwo verschwunden, weiß nicht wo.
Zurück in M., bin ich gleich wieder im Alltagskatzentrott. Habe zugesagt, ein dänisches Buch zu lesen, ohne wirklich dänisch zu können. Ich versuche, die Hälfte der Wörter zu erraten.
Sitze im Hinterhof. Die Nachbarin kommt, die gerade im selben Haus von einer Wohnung in die andere umzieht und sagt, dass sie irgendwie in zwei Hälften geteilt ist. Sie hilft mir mit einem dänischen Wort, bei dem anderen, nach dem ich sie frage, muss sie auch passen.

Am Morgen fahre ich in den Sonnenaufgang hinein, kleine weiße Schaumkronen auf dem Meer, ein Jäger oder was schaut professionell über die Landschaft.

Ich habe folgende Bücher aus Berlin mitgebracht: Raymond Carver: Erste und letzte Storys, Haruki Murakami: Gefährliche Geliebte, Thomas Mann: Bekenntnisse des Hochstaplers Felix Krull, Stefan Zweig: Phantastische Nacht, Herbert Achternbusch: Die Alexanderschlacht, Evgen Bavcar: Das absolute Sehen, Jean Paul: Flegeljahre, Adalbert Stifter: Bunte Steine. Außerdem Werner Bräunig: Rummelplatz, als Hörbuch, 476 Minuten, Schachtel schon katzenangeknabbert.

Eine Auswahl bairischer Wörter aus meiner ureigenen Sammlung {ich hoffe bald Verwendung für sie zu haben.}

Goggolori

Gräfin Gocks

Gosche

gottfroh

Gottesacker

Gift (sie hat einen solchen Gift auf ihn)

Gigerl (Geck, Stutzer), gigerlhaft

Gipskopf

Giselafransen (Frisur)

gleichschauen (Die Blumen schaun was gleich.)

Glump (wertloses Zeug)

gàch (steil, abschüssig)

gackerlgelb

Garniemand (unbeachteter Mensch)

geblumt (geblümt)

Gefrage (Fragerei)

gefressen (etwas gefressen haben: verabscheuen, widerlich, hässlich finden)

Gfrett (Schinderei, Plagerei)

Gefrier (Die Gefrier geht tief in den Boden hinein.)

Gfries (Gesicht, Visage)

geh! geh weiter! geh zu!

gehert (voller Unruhe, ohne Sesshaftigkeit)

Freitag, 5. Oktober 2007

In seinen Augen. (Ein seltsames Licht)

(Wieder ein erbärmlicher Anfang.)

Die Mühe des Schreibens, während draußen Menschen ihren besten Freund an der Leine auf den Rasen kacken lassen, um den Kackehaufen hinterher mit einem kleinen Plastiksäckchen aufzunehmen und in eine dafür vorhergesehene Tonne zu werfen.
Oder auch nicht. (Dann bleibt das Häufchen liegen, bis es der Erde einverleibt ist. Am Ende verwandelt sich - beinahe - alles in etwas Gutes.)

Ich muss übrigens nicht mehr im Voraus wissen, wohin ich auf dem Weg bin.

Dienstag, 2. Oktober 2007

Kleiner Mann



Der kleine Mann nahm nicht viel Platz ein. Er passte auf einen meiner Fingernägel. Oft machte er stundenlang auf meinem Schreibtisch sauber. Er war überhaupt sehr reinlich. Sein winziger Hut glänzte, als wäre er lackiert, seine kleinen Hosen hatten scharfe Bügelfalten. Er aß täglich eine Brotkrume und trank eine Kugelschreiberkappe voll Milch und machte sich Sorgen um sein Gewicht. Seine Stimme war erstaunlich wohllautend und durchdringend. Manchmal sang er mir ein selbst erfundenes Lied vor, und hätte er es nicht geleugnet, so hätte ich geglaubt, dass er eine Gesangsausbildung absolviert hatte. Die Texte waren hatten häufig einen etwas eintönigen sexuellen Inhalt. Sein Hauptinteresse galt großen behaarten Frauen, und die meisten Lieder handelten von Entdeckungsreisen in gewisse behaarte, aber auch feuchtere Gegenden. Er litt an Schwermut, und behauptete, dass er in der Nacht nicht schlafen konnte und stundenlange einsame Kletterausflüge in den Teppichfransen unternahm, bis er vor Erschöpfung (und Verzweiflung!, rief er) einfach umfiel. Er wollte gern fliegen lernen und hatte Flügel toter Insekten gesammelt, aber er hatte Angst, dass man ihn dann mit einem Insekt verwechseln und erschlagen könnte. Er wusste nicht so recht etwas mit seinem Leben anzufangen, sagte er. Seine Eltern waren normal groß gewesen, seine Mutter hatte nicht einmal gemerkt, als sie schwanger war. Seine Geburt fand statt, als seine Eltern mit Freunden an einem Sommerabend ein feuchtfröhliches Gartenfest feierten, mit Lampions und Nacktbaden im See und anschließendem Partnertausch. Ich konnte bereits kriechen, aber noch nicht gehen, sagte er, als ich ins taunasse Gras fiel. Ein Regenwurm hat sich meiner angenommen. Auch jetzt gehörte es zu seinen größten Vergnügungen, im Garten auf einem Regenwurm zu reiten, und die Regenwürmer ließen es sich gefallen. Er konnte die Regenwurmsprache (behauptete er) und weinte bitterlich, wenn er irgendwo einen plattgetretenen oder vertrockneten Regenwurm herumliegen sah. Ich nahm ihn gern mit auf meine Spaziergänge im Wald, er wog ja nicht viel. Ich setzte ihn auf mein Brillengestell, wo er es mühelos stundenlang aushielt. Er hatte unglaublich scharfe Augen und wusste überhaupt vieles über Wetterumschwünge und Vogelstimmen. Aus irgendeinem geheimnisvollen Grund konnte er übrigens russisch und trank manchmal Wodka aus seiner Kugelschreiberkappe und fing dann an, auf russisch herumzujammern und Kasatschek zu tanzen. In meiner Wohnung musste ich auf Zehenspitzen herumlaufen, um nicht aus Versehen auf ihn zu treten. Einige Bereiche des Fußbodens hatte ich zu Tabuzonen für ihn erklärt, um die Gefahr eines Unglücks so gering wie möglich zu halten. Ich hatte ihm eine kleine Schachtel häuslich eingerichtet, mit einem Radiergummi als Bett und einem Wasserklosett mit Abflussrohren aus Strohhalmen, was seiner Reinlichkeit sehr entgegen kam. Es machte mir Spaß, mir kleine Dinge für ihn auszudenken. Ich hatte begonnen, eine kleine Gitarre für ihn zu basteln (als Saiten würde ich verschieden dicke Körperhaare verwenden). Vielleicht käme er sich dann nicht mehr ganz so nutzlos vor. Ich konnte mir ein Leben ohne ihn gar nicht mehr vorstellen. Bevor er auftauchte (er war plötzlich eines Tages da, ganz ohne Vorwarnung, behauptete, er habe ein Jahr im Hörsaal der Universität gelebt, sich dann aus Abenteuerlust einem Studenten ans Jackett gehängt und sei in der U-Bahn zu mir herübergesprungen, weil ich gerade so herzzerreißend geseufzt hatte), hatte mir nichts gefehlt, geschweige denn ein kleiner Mann, der regenwurmisch und russisch konnte und Lieder eintönigen sexuellen Inhalts sang. Jetzt ging er mir ab, sobald ich das Haus ohne ihn verließ. Freunde fanden, ich sei seltsam geworden und forderten mich auf zum Arzt zu gehen, aber ich lächelte nur und ließ sie reden. Er ging so unbemerkt von dieser Welt, wie er in sie eingetreten war, ohne Laut, ohne Schrei. Ich bin sicher, es war Selbstmord. Ich setzte ihn in einem Blumentopf in meinem Zimmer bei, vergrub auch die noch unfertige kleine Gitarre und ließ einige Regenwürmer an der Zeremonie teilnehmen. Ich weiß: wer nicht liebt, dem kann nichts genommen werden. Erst nach Wochen wusch ich den winzigen Blutfleck notdürftig aus dem Teppich. Ich meldete mich für einen Russischkurs an der Volkshochschule an. Seine Lieder habe ich aus dem Gedächtnis notiert und singe sie an späten Abenden Gästen vor, die aber in der letzten Zeit immer weniger geworden sind und immer früher nach Hause gehen. Manchmal fahre ich stundenlang mit der U-Bahn durch die Stadt, ohne zu wissen, was das eigentliche Ziel meiner Reise ist.

Lesbos 13/12 2021

Am Morgen wachte ich zum Plätschern des Regens auf. Machte mir Kaffee, schmierte mir Brote, packte eine Portion gesalzene Oliven in den Ruck...